Thüringer Wald – Kommunen legen Gutachten gegen Stromtrasse vor. Mitteldeutscher Rundfunk, 29.10.2007
zum Beitrag siehe auch http://www.mdr.de/mdr1-radio-thueringen/4960336.html
Der Streit um die durch den Thüringer Wald geplante Hochspannungsleitung geht in eine neue Runde. 33 Kommunen und Bürgerinitiativen entlang der vom Stromkonzern Vattenfall geplanten Trasse haben ein Gutachten anfertigen lassen, das Argumente gegen das Projekt liefert. Die beauftragte Forschungsgesellschaft für Alternative Technologien und Wirtschaftsanalysen ist darin zu dem Schluss gekommen, dass die Leitung überflüssig sei. Das bestehende Netz könne kostengünstig nachgerüstet werden, heißt es. Auch die von Vattenfall für den Bau der Trasse angeführte Begründung ist nach den Worten des Wiesbadener Wirtschaftsforschers Lorenz Jarass nicht stichhaltig: Die in der Ostsee geplanten Offshore-Windparks, deren Strom durch die Leitung mit einer Kapazität von 380-Kilovolt (KV) nach Süddeutschland transportiert werden soll, benötigten „gänzlich andere Netze“.
Jarass sagte bei der Vorstellung des Gutachtens am Montag in Großbreitenbach, die Netzbetreiber hätten für die Leitung zu hohe Bedarfswerte angegeben. Sie nähmen als Grundlage 90 Prozent der Leistungsstärke der Windkraftanlagen. Realistisch sei aber nur eine Leistung von 65 Prozent. Damit reduziere sich die für das Jahr 2015 erwartete Leistung von sechs auf 4,5 Gigawatt. Diese Strommenge könne mit dem aktuellen Netz von Nord nach Süd transportiert werden. Voraussetzung sei die Nachrüstung der bestehenden E.ON-Leitung mit Hochtemperaturseilen und einer laufenden Temperaturüberwachung der Leiterseile. Dadurch könne die Übertragungsleistung gesteigert werden. Dies würde nur einen Bruchteil dessen kosten, was für eine neue Trasse bezahlt werden müsste.
Protestaktion gegen die Trasse im Thüringer Wald
Angst vor Schäden für Tourismus und Anwohner
Die Kritik von Kommunen, Landkreisen, Tourismusverbänden und Bürgerinitiativen in der Region entzündet sich daran, dass für die Leitung, die an 70 Meter hohen Masten befestigt werden soll, eine 100 Meter breite Schneise durch den Thüringer Wald geschlagen werden soll. Dies könnte nach Ansicht der Leitungsgegner den touristischen Wert der betroffenen Region schmälern. Außerdem befürchten sie Gesundheitsschäden für Anwohner durch Elektrosmog.
Trasse parallel zur ICE-Strecke
Die gesamte Leitung soll von Bad Lauchstädt im Süden Sachsen-Anhalts bis nach Grafenrheinsfeld bei Schweinfurt in Bayern verlaufen. Das Thüringer Landesverwaltungsamt hatte im April dieses Jahres das Planfeststellungsverfahren für einen 55 Kilometer langen Teilabschnitt von Erfurt-Vieselbach nach Altenfeld bei Großbreitenbach abgeschlossen und einem Trassenverlauf vom Umspannwerk Erfurt-Vieselbach über Riechheim und Kirchheim bis Altenfeld zugestimmt. Anfang 2006 war bereits das Planfeststellungsverfahren für den 34 Kilometer langen Abschnitt von der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt bis Vieselbach abgeschlossen worden. Die Trasse der Stromleitung soll über weite Strecken entlang der ICE-Trasse verlaufen.
Der Abschnitt von Altenfeld bis nach Redwitz in Bayern wird vom Stromkonzern E.ON geplant.
„Landesregierung soll sich nach Gutachten richten“
Die Bürgermeisterin von Großbreitenbach und Landtagsabgeordnete der Partei Die Linke, Petra Enders, sagte am Montag, mit dem Gutachten hätten „die Kommunen die Arbeit der Landesregierung gemacht“. Dessen Ergebnisse stellten die Energie-Prognosen in ganz Deutschland in Frage. Es müsse deshalb sowohl im Bundesumweltministerium als auch auf EU-Ebene beraten werden. Die Landesregierungen in Thüringen und Bayern sollten ihre Entscheidungen danach ausrichten, forderte Enders.
Die Thüringer Landesregierung sieht indes wenig Spielraum bei der Genehmigung, da die geplante Leitung ein wichtiger Teil des Strom-Verbundnetzes der Europäischen Union ist.