Wenn
wir
weitere Lockdowns vermeiden wollen, brauchen wir zielgenaue Maßnahmen –
zum Beispiel eine bessere Quarantäne für Infizierte nach asiatischem
Vorbild.
Prof.
Lorenz
J. JARASS, Handelsblatt vom 17.12.2020
Die
laufenden
Lockdowns zur Reduzierung der
Corona-Infektionen dienen insbesondere der
Sicherstellung einer
ausreichenden ärztlichen Versorgung, ruinieren aber die Lebensqualität
vieler
Menschen und mit wachsender Dauer immer mehr Unternehmen und auch die
Staatshaushalte. Um weitere Belastungen zu verringern, sollte man
unverzüglich
bisher noch nicht genutzte Maßnahmen mit hohem Erfolgspotential zum
Schutz von
besonders gefährdeten Senioren ausprobieren, wie
es die Stadt Tübingen erfolgreich
vorgemacht hat. Dort waren in der nun laufenden
zweiten Welle bisher
nur zehn Prozent der Infizierten älter als 65 Jahre.
Zusätzlich
wäre eine Außer-Haus-Quarantäne von Infizierten statt der
derzeitigen häuslichen Quarantäne erfolgversprechend und kostengünstig
umzusetzen. Ohne zusätzliche Maßnahmen dieser Art wäre nach dem
Lockdown vor
dem nächsten Lockdown. Die derzeitige häusliche Quarantäne mag bei
Kontaktpersonen von Infizierten angemessen sein, aber Infizierte müssen
– nach
ärztlicher Einzelfallentscheidung – isoliert werden, wie erfolgreiche
asiatische Staaten zeigen. Ein Tuberkulose-Infizierter wird doch auch
nicht zur
Quarantäne nach Hause geschickt.
Als
Minimum sollte allen Infizierten die Möglichkeit einer unterstützten
Außer-Haus-Quarantäne gegeben werden, wie die folgenden Beispiele
belegen: In
der großen Familie eines Kollegen steckte ein Infizierter seine
Familienmitglieder
im selben Haushalt an, weil er wegen der beengten Wohnverhältnisse
keine
Möglichkeit hatte, sich von ihnen zu separieren. Ein Mann, der seit
mehreren
Jahren zusammen mit Pflegekräften seine schwerkranke Frau pflegt, wurde
von
einer Pflegekraft infiziert und hatte keine Möglichkeit, außer Haus in
Quarantäne zu gehen, da die Hotels geschlossen sind. Auch scheint
bisher noch
ungeklärt, was jemand tun kann und soll, der an einem fremden Flughafen
positiv
getestet wird und weder nach Hause noch ins Hotel gehen kann.
Das
Argument, eine Außer-Haus-Quarantäne sei zu teuer, kann in diesen
Zeiten kaum angeführt werden. Wiesbaden war zum Beispiel Ende Oktober,
also
bereits vor dem Teil-Lockdown, mit 100 neuen Fällen täglich besonders
stark
betroffen. Bei 100 Neuinfizierten pro Tag und einer zehntägigen
Außer-Haus-Quarantäne hätte es 1000 Isolationsplätzen bedurft, da nach
10 Tagen
die ersten Plätze für die Nachrücker frei würden.
Eine
derartige Außer-Haus-Quarantäne wäre für Wiesbaden bei mindestens 3600
Hotelzimmern gut machbar gewesen. Die Kosten hätte allerdings die Stadt
Wiesbaden tragen müssen, die Entschädigungszahlungen für die
leerstehenden
Hotels trägt hingegen der Bund. Bei täglich 10.000 Neuinfizierten
insgesamt
würde Deutschland 100.000 Quarantäneplätze benötigen. Geht man von
Kosten in
Höhe von 100 Euro pro Tag aus, würden sich die Gesamtkosten pro Monat
auf 300
Millionen Euro belaufen. Das könnte aus der Portokasse der
Corona-Entschädigungen gezahlt werden.
Berlins
Regierender Bürgermeister Michael Müller machte Ende November 2020
den Vorschlag, Hotelbetten für eine Außer-Haus-Quarantäne zu nutzen, um
einer
Überlastung von Intensivstationen vorzubeugen. Dieser Vorschlag sollte
nun
möglichst umgehend bundesweit umgesetzt werden, um zusammen mit
weiteren
Maßnahmen zum Schutz von besonders gefährdeten Senioren weitere
Lockdowns zu
verringern oder idealerweise ganz vermeiden zu können.
Prof.
Dr.
Lorenz J. JARASS
Dipl.
Kaufmann (Universität Regensburg), M.S. (School of Engineering,
Stanford University,
USA)
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