Brief von Inge EICHELKRAUT zur Kernschmelze in Japan, 18.03.2011:

Das was in Japan passiert, macht mich völlig  fassungslos. Aber, anders als bei Tschernobyl, fühle ich mich dieses  Mal nicht so ohnmächtig, sondern ich habe den Drang, etwas zu tun. Für  die Japaner kann man leider nur spenden, das werde ich in den nächsten Tagen auch machen.
 
Aber was unsere Situation hier anbelangt, glaube ich gar nicht, dass das so schwierig ist, etwas dazu beizutragen, dass sich etwas ändert. Wir können als Verbraucher und verantwortungsbewusste Bürger sicher durch unser Verhalten einiges beeinflussen, auch wenn es vielleicht nicht auf der Stelle seine Auswirkungen zeigt. Nur, wir müssten etwas dafür tun. Leider hört die Liebe und der Idealismus bei den meisten auf, wenn es um den eigenen Geldbeutel geht.

Ein Freund hat mir gestern promt zurück geschrieben: „Für die Stromversorgung kann ich Dir wärmstens http://www.greenpeace-energy.de/ empfehlen. Die hatte ich schon im meiner alten WG als Stromversorger, und die versorgen auch uns hier in Weisenau. Der Wechsel ist völlig unkompliziert und deren Service sehr gut.“

Ein anderer Freund von mir, der sich sehr gut auskennt, weil er dauernd Energiegutachten für Regierung, Industrie und Gemeinden schreibt bestätigte mir, dass ein Wechsel seinen Zweck erfüllt: „Ja, Greenpeace sind echte Ökostromer, die bauen neue Ökokraftwerke, ca. 2 Cent/kWh teurer als die Pseudo-Ökostromer, die nichts ändern, aber den Teil des Wasserkraftstroms, den sie eh beziehen, als Ökostrom verkaufen.“

Ich habe heute morgen gleich bei der RWE angerufen, habe mir die Zählernummern der beiden Verbrauchsstellen geben lassen (das Haus meiner Mutter am Niederrhein, das zum Verkauf steht und das Ferienhaus von meinem Bruder und mir in der Eifel) und habe den Online-Antrag bei Greenpeace Energy ausgefüllt und bereits abgeschickt. Mein Bruder und ich zahlen also jeder jetzt 2,57 EUR mehr im Monat, das ist nicht mal ein Latte Macchiato.

Den Strom hier in der Königstuhlstraße zahlt Jürgen, auch für ihn habe ich mit seinem Einverständnis die Ummeldung von der ESWE (dem örtlichen Energieversorger) zu Greenpeace Energy ausgefüllt.

Es ist so, wie mit allem anderen, wenn niemand in erneuerbare Energien investiert, wird es auch keine geben. Wenn jeder sagt, unser Bedarf  von Wohlstand und Wachstum ist nur mit Atomstrom zu decken, frage ich jetzt in dieser Situation, von welchem Wohlstand reden wir, wenn wir nach Japan schauen? Welche Kosten, welche Verluste und welches Leid tragen sie jetzt und in Zukunft für die Nutzung des Atomstroms?

Gestern Abend war bei Maybrit Illner (die ich nicht sehr mag und deren Sendung ich nur selten sehe), neben Johannes Teyssen von Eon, unserem Umweltminister Röttgen, Renate Kühnast, Hans-Peter Keitel (BDI) und R. Andreas Kraemer, Geschäftsführer des Ecologic Institute Berlin, auch Irina Gruschewaja, die sich um die Kinder von Tschernobyl kümmert. Sie wollte ich unbedingt sehen und wegen ihr habe ich die Sendung bis zum Ende verfolgt. Ihre Stellungnahme ist sehenswert, du findest sie im Netz.

Das führt uns doch vor Augen, was in den nächsten Jahren auf Japan zukommt. Ich möchte mal behaupten, dass die größten Probleme für Japan in der Zukunft liegen. Wahrscheinlich explosiv steigende Krebsraten, verseuchter Fisch, eine vergiftete Nahrungskette, Krankheitskosten, die das Gesundheitssystem schwerlich stemmen kann. Größere Teile des Landes könnten unbewohnbar werden (wenn man die Grenzwerte nicht mal wieder hoch setzt). Was kostet der Atomstrom?

Einen Aspekt, den ich in den ganzen letzten Tagen in der Diskussion vermisse, ist die Frage nach der Entsorgung/Endlagerung. Wie wir mittlerweile wissen, gibt es weder das eine noch das andere. Bei Tepco wurden Altbrennstäbe auf dem Gelände gelagert, in Reaktor 4 (vielleicht auch in 3 wie gerade über die Nachrichten kam, weswegen die Betreiber auch weder die Amerikaner, die angeboten haben, zu helfen, noch die IAEA auf dem Gelände haben wollen, denn das Lagern steht völlig im Gegensatz zu den Sicherheitsauflagen), was jetzt schon zu einer noch größeren Katastrophe in der Katastrophe geführt hat.

Aber zurück zu unserer Situation: Wer bezahlt die Schweinerei in der Asse? Der Betreiber dort hat nachweislich in den letzten Jahren geschlampt und gelogen. Die Fässer sind undicht, laufen aus. Bis etwas ins Grundwasser sickert, ist nur eine Frage der Zeit. Dicht sind die Stollen nicht, soviel weiß man ja mittlerweile (Gorleben übrigens auch nicht, ich habe einen Geologen der Uni Mainz kennen gelernt, der dort zur Erstellung eines Gutachtens gearbeitet hat).

Mit den Energieversorgern wurde der Deal gemacht, dass ein Teil aus den Mehreinnahmen durch die Laufzeitverlängerung zur Sanierung der Asse verwendet wird. Was ist denn das für ein Deal? Und: Ist das alles in die Rechnung eingepreist?

In den letzten Jahren sind aus meinem Freundeskreis 6 Frauen an Brustkrebs erkrankt, eine ist gestorben. Der Vater meiner Schwägerin ist an Lungenkrebs gestorben, ebenso der Mann der Tochter meiner Kusine (mit 42 Jahren, nie geraucht) ebenso der Bruder einer Freundin (mit etwas über 30). Mein Bruder hat ein Plasmozytom (eine Art Knochenmarkskrebs). Wenn man den Beitrag von Irina Gruschewaja hört, fragt man sich doch, ob das nicht alles zusammenhängt. Die Brustkrebserkrankungen sind in den letzten Jahren in Deutschland so sprunghaft angestiegen, mittlerweile erkrankt statistisch betrachtet jede 9. bis 10. Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es uns selber trifft, ist also ziemlich groß. Unser Gesundheitssystem ist kaum noch bezahlbar. Da frage ich mich: was kostet uns der Atomstrom wirklich? Sicher, das Argument der Befürworter ist immer, dass der Zusammenhang nicht nachweisbar sei. Das ist leider auch wirklich das „Dumme“ an der Sache, dass der Bezug nicht unmittelbar herzustellen und nachzuweisen ist. Das Umweltinstitut München schreibt: „Die Krebsrate bei Kindern ist in der Umgebung der drei bayerischen Standorte von Kernkraftwerken (KKW) signifikant um 20% gegenüber der Krebsrate im restlichen Bayern erhöht (p=0,0014). Das Ergebnis basiert auf den Daten der Krebsinzidenz bei Kindern in den bayerischen Landkreisen für die Jahre 1983 bis 1998.“ (ich frage mich übrigens: wie sähe das heute erst aus?) Sind diese Kosten für den „Wohlstand“ eingepreist? Ist dann der Ökostrom wirklich im Vergleich zu teuer? Wahrscheinlich könnte man noch viele, viele weitere Zusammenhänge herstellen, die nicht in der Rechnung aufgehen, Atomaufsichtsbehörde, Oberste Atomaufsicht, Transport von Castorbehältern, etc. – alles vom Staat (also vom Steuerzahler) finanziert. Wir zahlen das alles auf den Strompreis drauf und von den Energieversorgern, die hierfür die Kosten nicht zahlen, wird Atomstrom schön billig geliefert. Eine Mogelpackung … Und die Wahrscheinlichkeit, dass die nachfolgenden Generationen das alles mit ihrer Gesundheit bezahlen werden, ist vermutlich nicht mehr nur eine Wahrscheinlichkeit.

Ökostrom ist vielleicht beim Aufbau in der Investitionssumme teurer, aber wenn er mal da ist, steigt sicherlich unsere Lebensqualität, die Kosten verringern sich vermutlich drastisch mit der Amortisation. Die Betriebs- und Wartungskosten der Anlagen dürften kaum über denen für Atomstrom liegen und die Folgekosten, ich glaube, über die brauchen wir uns nach Fukushima gar nicht mehr zu unterhalten ….

Liebe Grüße

Inge