ARD, PlusMinus, 15.05.2013

 

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Der FallReichstag im Sonnenuntergang Hoeneß ist in all er Munde. Wie Wohlhabende Steueroasen nutzen und ihre Steuern minimieren, darüber hat Plusminus schon öfter berichtet. Genau wie über Schlupflöcher in der Konzernbesteuerung, mit denen große Konzerne weltweite Steueroasen nutzen. Die Deutsche Regierung kritisiert seit Jahren diese Steueroasen, Peer Steinbrück drohte der Schweiz schon mit der Kavallerie – doch bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche reitet Deutschland schon lange nicht an vorderster Front. Bei genauer Betrachtung ist Deutschland – für Ausländer – sogar selbst eine Steueroase.

 

 

Ein Schweizer legt in Deutschland an

Claude Baumann ist Schweizer – und in Deutschland unterwegs, um Steuern zu sparen. Als Unternehmer hat er Einnahmen in Deutschland. Davon soll das Schweizer Finanzamt nichts wissen. Deshalb will er das Geld auf einem deutschen Konto verstecken. Und nicht nur das: „Ich habe auch noch einen Fond in der Karibik, nämlich auf den Bermudas. Und dieses Geld möchte ich auch zurück nach Europa bringen, aber nicht in die Schweiz, weil ich auch dafür dann Steuern bezahlen müsste.“

 

Deutsche Bank und Commerzbank spielen mit

Steuerhinterziehung – und Schwarzgeld aus den Bermudas. Wie reagiert darauf wohl die Deutsche Bank? Claude Baumann wurde gesagt, man interessiere sich überhaupt nicht dafür, ob er seine Erträge versteuere oder nicht; außerdem habe man ihm versichert, das die Schweizer Behörden keinerlei Informationen von der deutschen Bank erhalten würden.

 

Aus der Commerzbank berichtet er, dass Schweizer Steuerflüchtlinge hier offenbar häufig sind: „Man hat mir hier gesagt, dass neunzig Prozent der Neukunden aus der Schweiz stammen. Und als Spezialservice hat man mir angeboten, für eine Gebühr von 250 Euro im Jahr die Post zurückzubehalten, damit niemand in der Schweiz erfährt, dass ich in Deutschland ein Konto habe.“

 

Auch die staatliche BW Bank in der Kritik

Skyline von Frankfurt. (Bild: ddp/Martin Oeser/200904MAZ116) Der Schweizer ‚Steuerhinterzieher‘ berichtet selbst von der staatlichen BW Bank Erstaunliches – sie gehört dem Land Baden-Württemberg: „Man hatte absolut Verständnis dafür, dass ich keine Steuern zahlen will. Als Steuerausländer muss ich ja auch keine Steuern zahlen in Deutschland, aber man hat nicht einmal eine Wohnsitzbestätigung verlangt.“

 

Acht Banken hat Claude Baumann besucht, und überall fand er offene Türen.

 

Professor Lorenz Jarass von der Hochschule RheinMain, seit Jahren für den Bundestag als Steuerexperte tätig, ist davon nicht überrascht: „Deutschland ist für außerhalb der EU Ansässige eine ganz ähnliche Steueroase mit Verschleierung und Intransparenz wie es die Schweiz derzeit noch für deutsche Staatsbürger ist, die in Deutschland Geld anlegen.“

 

Steuerparadies Deutschland

Wer nicht in Deutschland lebt, kann Zinsen bei uns steuerfrei kassieren. Und für Nicht-EU-Bürger ist sogar das Bankgeheimnis ähnlich strikt wie jenes in der Schweiz. Professor Jarass: „Nur wenn das Heimatland massive Verdachtsmomente gegen einen bestimmten Steuerzahler hat, dann kann es in Deutschland eine Anfrage stellen und im Regelfall muss aber dann dieses Heimatland auch die Bank kennen und weitere Umstände des Steuerpflichtigen.“

 

Deutschland jagt seine Steuersünder – ist für Ausländer aber selbst ‚Oase‘. Die Auskunftsmöglichkeit für ausländische Steuerbehörden wurde ausgerechnet unter Peer Steinbrück 2009 noch eingeschränkt. Mit der Einführung der deutschen Abgeltungssteuer.

 

Reaktion der Banken

Claude Baumann ist übrigens in Wirklichkeit nicht Unternehmer, sondern Redakteur der Schweizer Handelszeitung. Bevor er seine Erfahrungen letztes Jahr veröffentlichte, bat er natürlich die deutschen Banken um Stellungnahme. Sein Fazit: „Das Interessante war, dass die Banken gar nicht auf meinen Fall eingegangen sind, sondern eher stereotyp erklärt haben, sie hätten Mindeststandards, sie würden die geltenden Regeln und Richtlinien der Geldwäscherei einhalten.“

 

Und genaugenommen haben sie das auch!

 

Auch bei der Geldwäsche ist Deutschland vorn

Das ‚Netzwerk Steuergerechtigkeit‘ sieht in seiner Liste der Steueroasen Deutschland seit Jahren auf Platz neun – noch vor etablierten Oasen wie den Bermudas. Und das nicht nur wegen Bankgeheimnis und Intransparenz. Markus Meinzer vom ‚Netzwerk Steuergerechtigkeit‘: „Auch im Geldwäschebereich hat Deutschland noch ordentlich Nachholbedarf. Und hier sehen wir, dass Deutschland einfach einen gigantisch großen Finanzplatz hat und gemessen daran nicht genug tut, um Vorkehrungen zu treffen, dass schmutzige Gelder hier nicht angelegt und gewaschen werden.“

 

Geldwäsche ist, wenn Schwarzgeld in den offiziellen Geldkreislauf zurückgebracht wird. Am einfachsten, indem man teure Dinge mit Bargeld kauft und dann ganz offiziell wieder verkauft.

 

Zu wenige Regeln

Maßnahmen, die das erschweren, werden seit Jahren nur zögerlich umgesetzt. So kritisiert das Bundeskriminalamt in einer Studie, „…dass der Immobiliensektor in Deutschland besonders für Geldwäsche geeignet ist.“

 

Ähnlich verhält es sich mit Spielhallen. Hier werden Milliarden an Bargeld bewegt. Trotzdem werden sie im deutschen Geldwäschegesetz nicht einmal erwähnt. Experten wie Sebastian Fiedler vom Bund deutscher Kriminalbeamter fordern seit Jahren, das zu ändern – vergeblich.

 

Die EU hat Deutschland mehrfach wegen mangelnder Umsetzung der Geldwäscherichtlinie gerügt.

 

Änderungen geplant

Diese Richtlinie soll jetzt verschärft werden. Es geht um ein für Steuerhinterzieher besonders wichtiges Schlupfloch.

Mann mit Geldkoffer an einer Bergstraße. (Bild: WDR/IMAGO/imago/Action Pictures/52022274) Wer Geld vor dem Finanzamt verstecken will, nutzt oft ausländische Briefkastenfirmen, Trusts oder Stiftungen. Wenn die in Deutschland Geld anlegen, bleibt Zinsgewinn steuerfrei. Erst wenn die Gewinne deutschen Bürgern zu Gute kommen, werden hier Steuern fällig.

 

Das Problem: Oft ist nicht erkennbar, wem der Briefkasten gehört. Selbst sein Verwalter muss nicht wissen, wer die Gewinne kassiert, wer dafür Steuern zahlen muss. Ein perfektes Versteck.

 

 

Öffentliches Register

Ein öffentliches Register der Eigentümer von Briefkastenfirmen würde das Schlupfloch schließen. Doch so weit will die EU nicht gehen. Ihr Entwurf sagt nur, „dass die … Gesellschaften … Angaben zu den wirtschaftlich an ihnen Berechtigten – also den wahren Eigentümern – einholen und aufbewahren“ müssen.

 

Also kein öffentliches Register. Die EU will nur, dass Briefkastenfirmen selbst ihre Eigentümer kennen – und den Behörden auf Anfrage nennen können.

 

Deutschland bleibt erst einmal ‚Steueroase‘

Bundesfinanzminister Schäuble setzt sich öffentlich für ein scharfes Vorgehen ein. Doch hinter den Kulissen wird gebremst. Plusminus liegt die offizielle Stellungnahme seines Ministeriums vor. Dort heißt es: „Es sollte den Mitgliedsstaaten überlassen bleiben, wie sie eine zeitnahe Verfügbarkeit der Informationen über die Eigentümer … garantieren.“

 

Im Kampf gegen Geldwäsche und Briefkastenfirmen wird gebremst. Das Bankgeheimnis für EU-Ausländer bleibt strikt. So ist Deutschland eben doch selbst ‚Steueroase‘.

Ein Beitrag von Michael Houben