Wirtschaftswoche online, 19.12.2013

 

von Marvin Oppong

Der Aufschrei von Bund und Kommunen war groß, als bekannt wurde, wie große Konzerne über Tochterunternehmen im Ausland ihre Steuerschuld mildern. Nun zeigt sich: Auch deutsche Städte tricksen massiv.

 

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Die Kölnmesse, zu knapp 80 Prozent in der Hand der Stadt Köln, hat Tochterfirmen unter anderem in der Steueroase Hongkong, in der Sonderwirtschaftszone Singapur und an den Hauptfinanzplätzen Mailand und Tokio. Quelle: dpa/dpaweb

Städte und Gemeinden reinigen heutzutage nicht nur Straßen oder verwalten Friedhöfe. Sie sind zu wahren Wirtschaftsakteuren geworden und halten Beteiligungen an Unternehmen, die mit kommunalen Dienstleistungen kaum noch etwas zu tun haben. Die Stadt Köln tut sich hierbei besonders hervor: Deutschlands Klüngelhauptstadt besitzt, über weitere Tochter- und Enkeltochtergesellschaften, Anteile an Firmen etwa in Bangkok, Polen oder dem Steuerparadies Luxemburg.
Die Kölnmesse, zu knapp 80 Prozent in der Hand der Stadt Köln und zu 20 Prozent in der des Landes Nordrhein-Westfalen, hat Tochterfirmen unter anderem in der Steueroase Hongkong, in der Sonderwirtschaftszone Singapur und an den Hauptfinanzplätzen Mailand und Tokio und hat Repräsentanzen in Panama und der Schweiz.
Alte und neue Steueroasen

 

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Bermuda und andere Karibikinseln fordern keine Ertragsteuern, haben aber strenge Geldwäschevorschriften. Paradiesisch für Unternehmen. Drittgrößter Versicherungsstandort der Welt. Google hortet hier seine außerhalb der USA erwirtschafteten Gewinne; rund 100 Milliarden Dollar. Nur für Steuerflüchtlinge ab zweistelligem Millionenbereich interessant, die hier eine Firma errichten. Bild: dpa

 

Auch in Chicago hat die Kölnmesse ein Büro. Die Kölnmesse kann auf einen gleichnamigen Immobilienskandal verweisen, bei dem es darum geht, dass der Stadt Köln im Zusammenhang mit dem Bau der Kölner Messehallen und einem Grundstücksdeal mit dem Oppenheim-Esch-Fonds Millionen-Mehrkosten entstanden sind. Registriert wurde die Firma, die zu dem Kölnmesse-Büro in Chicago gehört, die Koelnmesse Inc., allerdings im US-Staat Delaware. Dieser gilt als größtes Steuerparadies überhaupt unter den US-Staaten und musste für seine Steuerpolitik mehrfach Kritik einstecken.
Laut Handelsregister von Delaware ist die Koelnmesse Inc. über die North Orange Street 1209 in Wilmington zu erreichen. In dem dortigen Flachdachbau mit purpurner Markise haben laut einem Bericht von Zeit Online von Mai geschätzt rund 200.000 Briefkastenfirmen ihren Sitz, darunter seien die US-Konzerne Google und Apple und die Autobauer Daimler und Volkswagen. Nach einem Bericht der New York Times aus 2012 nutzte auch der serbische Geschäftsmann und verurteilte Schmuggler Stanko Subotic die Adresse. Das Gebäude dort wird von der CT Corporation betrieben. Diese ist im Handelsregister von Delaware mit der Adresse „North Orange Street 1209“ als sogenannter „Registered Agent“ der Koelnmesse Inc. eingetragen.

Unternehmen: EU will Steuer-Schlupflöcher schließen

In den EU-Staaten sind Steuervorgaben ganz verschieden. Solch legale Schlupflöcher nutzen Konzerne häufig aus. Dem Fiskus entgehen damit Milliarden. Die EU-Kommission will das ändern – aber nur in manchen Bereichen.

 

Während auch die Stadt Köln mit Einnahmen aus der Gewerbesteuer, die den Kommunen zusteht, zu kämpfen hat, muss die Koelnmesse Inc. in Delaware auf Einnahmen weniger oder – im Fall von Lizenz- und Kreditzahlungen, die in Delaware steuerbefreit sind – unter Umständen gar keine Steuern zahlen. Die für in Delaware tätige Unternehmen fällige „Delaware state tax“ liegt bei gerade einmal 8,7 Prozent, einschließlich der „federal tax“ zahlen Unternehmen maximal 35 Prozent Steuern; der für nur Kapital verwaltende Unternehmen fällige Steuersatz ist erheblich niedriger. Sobald ein Konzern eine Tochterfirma in Delaware hat, profitiert er von der dortigen Steuergesetzgebung, und zwar im Falle einer Beteiligung einer Kommune wie Köln zu Lasten des hiesigen Steuersäckels.

Lorenz Jarass, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule RheinMain, ist einer der profiliertesten Experten auf dem Gebiet internationaler Unternehmensbesteuerung in Deutschland. Jarass war Mitglied der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung und des wissenschaftlichen Beirats der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen. Der Stanford-Absolvent ist sich sicher: „Firmensitze in Delaware legen Steueroptimierung nahe.“

Auch Frankfurt trickst

Auch die Stadt Frankfurt am Main hält über ihre Beteiligung Fraport AG Anteile an einer Firma in Delaware mit dem Namen Air-Transport IT Services, Inc. Auf Anfrage erbat sich das Beteiligungsdezernat der hessischen Landeshauptstadt Frankfurt erst mehr Zeit, gab dann aber auch auf Nachfrage keine Auskunft über die Firma mit Sitz in Delaware und Adresse in Orlando, Florida.

Bei der Fraport AG heißt es, die Firma gehöre „zu den drei führenden Providern bei der Bereitstellung von schlüsselfertigen, integrierten IT-Lösungen für die Flughafenindustrie in Nord-Amerika“, so Christopher Holschier, stellvertretender Sprecher. (Die Fraport AG besitzt eine Firma mit ähnlichem Namen wie die Air-Transport IT Services, Inc., die AirIT Services AG. Ihr Unternehmensgegenstand umfasst laut Beteiligungsbericht der Stadt Frankfurt auch „IT- und Kommunikationsdienstleistungen am Flughafen Hahn“, einem ehemaligen US-Militärflughafen in Rheinland-Pfalz. Laut Fraport AG betreiben die beiden Firmen „ihre Geschäftstätigkeiten unabhängig voneinander“.) Die Firma in Delaware-Firma sei, so Holschier „von unseren Beteiligungs-Flughäfen Antalya, Lima und St. Petersburg in Anspruch genommen“ worden. Über 95 Prozent ihres Umsatzes mache diese aber „mit externen Kunden“, darunter auch die Flughafenbehörde der Steueroase Hongkong.

In Delaware sind Einnahmen aus Lizenzen für Unternehmen steuerfrei. International operierende Konzerne mit weltweit verstreuten Müttern, Töchtern, Holdings und Finanzierungsgesellschaften machen sich dies zunutze, um Steuern zu vermeiden. Das läuft dann so: Eine Konzerntochter im Land A zahlt etwa für die Nutzung des Logos des Konzerns in Land A eine Lizenzgebühr an eine andere Tochter des Konzerns in Land B, einer Steueroase. Dort muss auf die Lizenzeinnahmen keine Steuer gezahlt werden. In Land A kann die Konzerntochter die Zahlungen an die Tochter in der Steueroase steuerlich geltend machen. Der Gewinn verbleibt bei der Tochter in der Steueroase, kann aber wieder in den Konzern zurückfließen. Deswegen sollen nach dem Koalitionsvertrag auch Gewinnverlagerungen durch überhöhte Lizenzgebühren an Töchter im Ausland eingeschränkt werden.

 

Bei der Kölnmesse heißt es auf Nachfrage, Zahlungen für Lizenzen habe es im Zusammenhang mit der Koelnmesse Inc. nicht gegeben. Allerdings bestätigt man, dass es „Zahlungsverkehr zwischen der Koelnmesse Inc.“ und „anderen Koelnmesse-Gesellschaften“ gegeben hat. Dieser habe „operative Leistungen“ betroffen, darunter auch „Vertriebsprovisionen“. Zwischen welchen Kölnmesse-Gesellschaften es Zahlungsverkehr gab und in welcher Höhe, will man nicht sagen.

 

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